Biographie

Die Biographie des Malers und Musikers Walter Spies (1895-1942) liest sich wie die in ein Brennglas eingefangene wechselvolle Geschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Als Sohn einer deutschen Kaufmanns- und Diplomatenfamilie in Moskau wuchs er in einer grossbürgerlichen, kosmopolitischen und allem Künstlerischen aufgeschlossenen Umgebung auf, in der er schon früh Scriabin und Rachmaninoff während Konzerten in Häusern seiner Verwandten kennenlernte.

Schon zu Beginn des ersten Weltkrieges als Deutscher im Ural interniert, studierte er die Sprachen und die Musik der Tataren und malte später nach Motiven der von ihm geliebten Orte. Die Erlebnisse fern der Metropole Moskau, förderten eine klare Identität, in der nur Authentisches Bestand hatte.

1918   in Deutschland angekommen, schien er sich schon bald in der Szene der Künstleravantgarde Dresdens und Berlins zu Hause zu fühlen. Er war eng mit Oskar Kokoschka und Otto Dix befreundet und nahm an Gruppenausstellungen teil. Doch Walter Spies verstand sich immer als Musiker und als Maler. Über die aufsehenerregende Berliner Musikszene schreibt er:

„…im Hause meines grossen Freundes Eduard Erdmann traf ich all die ‚Grossen‘:
Busoni, Pfitzner, Schnabel, Hindemith, Krenek, Petyrek, Haba etc.“

Nahe Freundschaften verbanden ihn hier mit Bertel Kleyer, Irene Erdmann und Hans-Jürgen von der Wense.
In die Welt des frühen Stummfilms geriet er durch seinen Lebenspartner, den Film-Regisseur Friedrich-Wilhelm Murnau. Dennoch blieb ihm das Gefühl,  in Deutschland ein Fremder zu bleiben und er schrieb:

„Ich werde mich nie mit europäischen Menschen zurechtfinden“

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1923 brach er zu neuen Ufern auf. In Niederländisch Indien, dem heutigen Indonesien, berührten ihn zutiefst Mensch und Kultur, wie schon einst im Ural. Er malte wenig in den folgenden Jahren, die von Musik dominiert waren: Da ihn die Tätigkeit eines Kapellmeisters des europäischen Orchesters im Palast -Kraton- des Sultans im zentraljavanischen Yogyakarta nicht befriedigen konnte, begab sich Spies  umso intensiver in das Studium der javanischen Gamelanmusik.

Kurze Besuche auf Bali faszinierten ihn derartig, dass er schon 1928 einer Freundin schrieb: „Ich richte mir jetzt mein Bambushäuschen ein im lieben, einsamen Ubud (Bali) und bin bald für die Welt verloren.“

Er irrte: Die ‚Welt‘ kam zu ihm, und er war Thema in den Salons zwischen New York und Paris, wo man nicht nur den charismatischen Walter Spies als Maler und Musiker pries, sondern vor allem als Gastgeber und exclusiven Bali-Guide.

Und ‚alle‘ kamen: Freunde aus Deutschland neben Künstlern und Wissenschaftlern, Aristokratie und Geldadel aus Europa und den USA: Charles Chaplin und Leopold Stokowski, Victor von Plessen, mit dem zusammen Spies den Film ‚Insel der Dämonen‘ entstehen liess. König Leopold von Belgien und Barbara Hutton, Margaret Mead, Gregory Bateson, Ralph von Koenigswald, der mexikanische Maler Miguel Covarrubias, der mit Spiesens Hilfe „The Island of Bali“ schrieb, Vicki Baum, die zweimal bei Spies wohnte und unter dessen Assistenz ‚Liebe und Tod auf Bali‘ zu Papier brachte sowie Beryl de Zoete, die mit ihm den Klassiker „Tanz und Drama auf Bali“ verfasste.

Alle profitierten von seinem Kenntnisreichtum, der ihm nicht von ungefähr zugefallen war. Die Balinesen waren ihm offensichtlich vertrauensvoll zugewandt, denn er betrachtete sie nicht aus der arroganten Sicht kolonialer Machthaber, er bewunderte sie, ihre Kunst-Äusserungen und ihr Leben, das alltäglich beeinflusst war vom tiefen Glauben an die Götter Balis.

Wenn ihm selbst auch sein Leben als „andauernder Geburtstag“ erschien, begann für Walter Spies Ende der 30er Jahre eine schwere Zeit. Verunsichert durch die drohende Kriegsgefahr in Europa und Asien, verunsichert durch die Weltwirtschaftskrise und nicht zuletzt durch die aufkeimende indonesische Unabhängkeitsbewegung, kam es in Niederländisch-Ostindien zu immer lauteren Rufen nach starken Führern und „moralischer Säuberung“. Aufgehetzt durch Verleumdungskampagnen in den Medien, begann eine „Hexenjagd“ (Margaret Mead) auf Homosexuelle.

Auch Walter Spies wurde verhaftet und beschuldigt, sexuelle Kontakte zu Minderjährigen unterhalten zu haben. Das Schutzalter für männliche Jugendliche („age of consent“) lag in den holländischen Kolonien bei 21 Jahren. Es kam zu einem Prozess, bei dem Zeugen unter Androhung von Repressalien gegen den Angeklagten aussagen sollten. Und obwohl auch die Frage nach dem Alter der Sexualpartner nicht abschließend geklärt werden konnte, da es keine amtlichen Unterlagen darüber gab, entschied das Gericht nicht zu Gunsten des Angeklagten, sondern verurteilte Spies zu einer Haftstrafe von acht Monaten. In jener Zeit,  entstanden in seiner Zelle Meisterwerke seines Oevres,  ‚Scherzo für Blechinstrumente‘ und ‚Landschaft und ihre Kinder‘. *

Nach nur kurzer Zeit in Freiheit, wurde er – nach dem Überfall der deutschen Armee auf die Niederlande – seit 1940 in Lagern auf Java und Sumatra interniert. 1942 starb Walter Spies im Indischen Ozean vor der Insel Nias bei einem japanischen Bombenangriff auf das holländische Schiff, das ihn mit anderen deutschen Internierten nach Ceylon bringen sollte.

*
1) John Stowell: Walter Spies. A Life in Art, Jakarta 2011, S. 219 ff.

2) Gosse Kerkhof: Het Indische zedenschandaal; Een koloniaal incident, Amsterdam 1982

3) Robert Aldrich: Colonialism and Homosexuality, London 2003

4) Marieke Bloembergen: Rein zijn is sterk zijn. De massale vervolging van homoseksuelen in Nederlands-Indië in 1938-39, in: Bewaar me voor de waanzin van het recht’; Homoseksualiteit en strafrecht in Nederland (hg. von G. Hekma, Th. van Meer), Diemen 2011

5) Neidhöfer, Thilo „Arbeit an der Kultur – Margaret Mead, Gregory Bateson und die amerikanische Anthropologie, 1930-1950″, Bielefeld 2021: ‚Anthropologie vs. Kolonialjustiz: Der Fall Walter Spies‘ „, S. 254ff

„Ich richte mir jetzt mein Bambushäuschen ein im lieben,
einsamen Ubud (Bali) und bin bald für die Welt verloren.“

Walter Spies

Walter Spies

Auf Bali

April 1925, Spies besuchte das erste Mal Bali nach nur zwei Jahren zog er auf die Insel. Er fand Gefallen an der balinesischen Kultur und sein Haus entwickelte sich zum kulturellen Zentrum Balis. Dort besuchten ihn verschiedenste Künstler, Musiker, Schriftsteller aus aller Welt. Spies sagte über Bali: „Auch für einen Balinesen, und dies durch seine Primitivität, Unverdorbenheit und Naturnähe, ist das Leben die herrliche, heilige Tatsache…“

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Künstlerfreunde

Freunde, Förderer und Lebenspartner

Hier sehen Sie einen kleine Auswahl der guten Freunde von Walter Spies. Unter anderem waren dabei Charly Chaplin, Murnau, Otto Dix und viele mehr.

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